berliner szenen
: Der Mann mit dem Eimer

Kids von heute besitzen also doch noch Schlitten. Ich hatte gedacht, dass die längst alle ausrangiert sind. Aber der Fuhrpark, der an diesem Tag in der Hasenheide präsentiert wird, ist beeindruckend. Gut, einige müssen sich auch mit improvisierten Gefährten begnügen. In der Hand eines Jungen sehe ich ein leicht verbogenes Backblech. Ein kleines Mädchen wird auf einem Kindersitz fürs Auto durch die Gegend gezogen. Die Polsterung ist abgezogen, das macht das Ding zwar gleitfähig, aber wahrscheinlich auch ziemlich unbequem. Auch der Klassiker „Kissen in Plastiktüte“, auch in der einfachen Ausführung „Plastiktüte“, ist vielfach zu sehen.

Egal welche Ausstattung, in der halfpipeartigen Kuhle donnern sie von beiden Seiten aufeinander zu. Die abschüssigen Wege der Rixdorfer Höhe scheinen eher ein Geheimtipp zu sein. Hier muss man allerdings auch Kurven fahren können. Überall wuselt es. Gemessenen Schrittes hingegen wandelt ein Typ mit einem giftgrünen Eimer auf dem Kopf durch den Park. Dazu trägt er farblich passende Handschuhe. Der Eimer hat einen verspiegelten Seeschlitz, unter dem Eimerrand schaut das Ventil einer Gasmaske hervor. Okay, der Typ scheint wohl voll auf Nummer sicher zu gehen.

Diese Mischung aus Gaga und Militärdevotionalie hat aber auch was Befremdliches. Hinzu kommt, dass der Eimerträger aus einer unbekannten Quelle den Park mit Element of Crime beschallt: „Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist.“ Vielleicht hat er Liebeskummer? Aufmerksamkeit ist ihm gewiss: Ein kurzes Umdrehen, ein flüchtiges Lächeln, ein sich stoßendes Augenverdrehen. Doch der Eimermensch bewahrt die Contenance. Auf ein freudiges Winken reagiert er mit einem zurückhaltenden, fast royalen Nicken seines eingetopften Kopfes. Anna Lerch