vonDetlef Guertler 28.09.2009

taz Blogs

110 Autor*innen | 60 Blogs
Willkommen auf der Blogplattform der taz

Mehr über diesen Blog

Wenn Sie dieses Wort nicht kennen, sind Sie entweder Analphabet oder Wessi. Ich bin letzteres, und gerade trotz mehrerer Jahre Ost-Erfahrung (und mehrerer Kinder auf ostdeutschen Schulen) das erste Mal über dieses Wort gestolpert. Man könnte es jetzt als Ossi-Wort in die Broiler-und Toni-Ecke abschieben – aber damit würden wir Paul Richard Carl Kohl furchtbar Unrecht tun, der jenes aus dem Büroalltag nicht mehr wegzudenkende Utensil im Jahr 1939 in Chemnitz erfand.

Berechtigter Chemnitzer Lokalstolz führte im Laufe der Jahre zur Ausbreitung des Wortes über das ganze Land. Von der Oder bis zum Brocken, vom Kreidefelsen bis zum Erzgebirge sprach und schrieb man vom Aktendulli, auch kurz: Dulli. Wäre Deutschland damals nicht geteilt worden, hätte die Ausbreitung sicherlich auch das ganze größere Land umfasst. Und heute würde man auch an Rhein und Ruhr, auf Sylt und auf der Zugspitze vom Aktendulli reden und ihm Kränze zum 70. Geburtstag winden.

Doch vom 10. bis zum 51. Geburtstag des Aktendullis gab es die DDR, und nur in ihr war er bekannt – und mit ihrem Dahinscheiden schien auch sein Schicksal besiegelt: Trockene, bürokratieatmende Synonyme aus westdeutschen Amtsstuben übernahmen das Kommando. Und dabei konnte der Aktendulli nun wirklich nichts zur deutschen Teilung. Er hatte auch nie etwas mit der DDR am Hut. Soll jetzt dieses Wort zum unschuldigen Opfer der deutschen Einheit werden? Ich sage: nein! Und sage Ja zum Aktendulli. Sagen Sie mit.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/aktendulli/

aktuell auf taz.de

kommentare